TEIL 2 - MONTEZUMAS RACHE

Da sind wir nun - auf Koh Phayam, einer Insel in der Andamanen-See, ungefähr 25 Kilometer vor dem thailändischen Festland gelegen. Unsere Unterkunft heißt “Sabai Sabai”, was auf thailändisch so viel wie Wohlbefinden und Zufriedenheit bedeutet. Der Name passt sehr gut, denn hier kann man sich einfach nur wohlfühlen. Unsere Holzhütte liegt in erster Reihe am Strand mit freier Sicht aufs Meer. Von diesen Hütten gibt es einige, in der Mitte des Geländes befindet sich ein offenes Restaurant mit Bar im Freien. Zudem findet man in jeder Ecke Hängematten, Sitzsäcke und gemütliche Chillecken. Schnell küren wir das an Bändern schaukelnde “floating bed” zu unserem Lieblingsort und nehmen uns vor, dort möglichst viele Abende zu verbringen. Heinke kann sich gar nicht satt sehen an all den farbigen Tüchern, Lichterketten und Muschelmobiles, die hier in den Bäumen hängen. Er fühlt sich sofort pudelwohl und macht erstmal ein Nickerchen in unserer hauseigenen Hängematte. Die Hütte ist einfach aber schön und wir freuen uns auf entspannte zwei Wochen mitten im Paradies.

Nach einer kurzen Nacht, in der wir alle dank Jetlag zwischen 12 und 3 Uhr keinen Schlaf finden konnten, verbringen wir unseren ersten richtigen Tag komplett “zu Hause”. Wir sind begeistert vom “Sabai Sabai”-Essen und beschließen uns in den 2 Wochen hier einmal durch die komplette Speisekarte zu arbeiten. Es genügt uns völlig von einer Sitzgruppe zur nächsten zu wandern und so den Tag verstreichen zu lassen. Da die gesamte Küchencrew sich in Heinke verliebt hat, können wir das erste Mal seit langem gleichzeitig zu Abend essen, während der kleine Mann durch das Restaurant getragen und bespaßt wird. Herrlich - genau so kann der Urlaub weiter gehen! Auch die Tatsache, dass Heinke in unserer 2. Nacht auf der Insel zum ersten Mal aus dem Bett fällt, kann unsere Stimmung nicht trüben. Eine kleine Beule für ihn, ein riesiger Schreck für uns alle drei, aber zum Glück keine ernsthaften Verletzungen. Wir lernen daraus, dass unser Kind mittlerweile zu mobil ist, um am Rand des Bettes zu schlafen. Ab jetzt wird er immer von uns eingerahmt.

Die ersten Tage gefällt uns unsere Unterkunft so gut, dass wir keinen Grund sehen sie zu verlassen und uns erstmal Zeit nehmen anzukommen. Hätten wir gewusst, dass wir danach gezwungenermaßen keinen Fuß vor die Tür setzen würden, wären wir zu Anfang vielleicht etwas aktiver gewesen. Aber das konnte ja keiner ahnen.

Am dritten Abend ist Heinke plötzlich wie ausgewechselt. Der sonst so fröhliche und aktive kleine Mensch ist weinerlich, still, und sehr anhänglich. So kennen wir ihn gar nicht, also ist uns schnell klar, dass Heinke krank sein muss. Außerdem finden wir, dass er sich heiß anfühlt und der Blick aufs Fieberthermometer gibt uns recht. Bis auf ein bisschen Durchfall gibt es sonst keine weiteren Krankheitssymptome. Ok, ein sechsmonatiges Baby, das gerade Zähne bekommt, fiebert. Eigentlich keine große Sache, denkt ihr jetzt wahrscheinlich. Nur ist es das erste Mal, dass unser Kind überhaupt Fieber hat. Die ersten beiden Zähne kamen völlig komplikationslos. Heinke könnte sich ja auch eine exotische Tropenkrankheit eingefangen haben, schließlich hat er Durchfall und wir sind in Thailand. Noch dazu auf einer Insel. Ohne Kinderarzt. 45 Minuten Bootsfahrt plus 30 Minuten Busfahrt und eine Stunde Flug von Bangkok entfernt. Und noch viel viel weiter von Deutschland und dem Kinderarzt unseres Vertrauens. Es gibt zwar ein Krankenhaus auf Koh Phayam, da bekommt man laut Internet-Rezensionen allerdings „maximal ein Pflaster geklebt“. Zudem ist es mitten in der Nacht. Wir versuchen entspannt zu bleiben, das gelingt uns allerdings nicht besonders gut. Erschwerend kommt hinzu, dass alle Fieberzäpfchen dank der Hitze zerbrechen und schmelzen bevor sie ihren Zielort erreichen können. Heinke gleicht immer mehr einem Schluck Wasser in der Kurve und unsere Restentspannung

löst sich langsam in Luft auf. Am besten nehmen wir gleich morgen früh das erste Boot zurück aufs Festland. Doch was können wir bis dahin tun? Die Zeitverschiebung kommt uns gelegen - in Deutschland ist es erst 22 Uhr - also können wir Titos Schwester Lena und ihren Mann Max anrufen und um Rat fragen. Das machen wir bei Kinderfragen eigentlich immer, denn die beiden haben einen fast vierjährigen Sohn und somit die meisten Probleme, die für uns komplettes Neuland sind, schon hinter sich. Leider ist die Verbindung miserabel und wir verstehen nur die Hälfte von dem, was die beiden uns raten. Zum Glück merken sie schnell, wie sehr wir uns sorgen und überschütten uns per WhatsApp mit hilfreichen Ratschlägen. Und viel wichtiger, sie beruhigen uns: so lange Heinke weiter gut trinkt - und das tut er - ist alles nicht so schlimm. Letztendlich schaffen wir es doch ihm mit Mühe und Not ein Fieberzäpfchen zu verabreichen, das wir für eine Stunde im Kühlschrank des Restaurants gelagert haben, und finden alle noch ein wenig Schlaf. Tatsächlich geht es Heinke morgens schon etwas besser und er erholt sich in den nächsten Tagen komplett. Es waren wohl doch “nur” die Zähne. Bald ist er wieder ganz der Alte und der Urlaub kann endlich weitergehen. Nur ist Julia nachdem Heinke wieder gesund ist irgendwie ein bisschen flau im Magen. Auch das kann man bestimmt wegschlafen, denkt sie, und legt sich früh ins Bett. Doch der Schlaf währt nicht lange, dann das leicht flaue Gefühl enttarnt sich schnell als handfeste Magen-Darm-Infektion inklusive Fieber und Schüttelfrost. Die nächsten drei Tage verbringt Julia also auf der Toilette oder vegetiert im Bett vor sich hin und Tito kümmert sich alleine um Heinke und bringt ihn nur zum Stillen vorbei. An Essen ist nicht zu denken und jeder Schluck Wasser ist eine Qual. Erträglich wird es nur mit Vomex und viel Schlaf. Tito und Heinke hängen in diesen Tagen viel im Restaurant rum und machen den ein oder anderen Spaziergang ins Dorf. Ab dem absoluten Tiefpunkt - Julia sitzt heulend vor einem Teller Nudeln und Tito versucht sie zu überreden doch bitte “noch wenigstens eine Gabel zu essen” - geht es dann zum Glück bergauf und Appetit und Kraft kommen langsam wieder.

Wie schön, dass nun die ganze Familie wieder vereint ist und wir endlich auch mal was unternehmen können. Prompt leihen wir uns einen Roller und fahren in Richtung “Long Beach” dem längsten Strand der Insel. Unterwegs machen wir eine Pause bei einem vegetarischen Restaurant, um dort zu Mittag zu essen. Hier endet unser Ausflug dann auch schon, denn - ihr ahnt es wahrscheinlich - Tito geht es nicht gut. Wir fahren also wieder nach Hause zurück, wo Tito die nächsten Tage im Bett und auf der Toilette verbringt. Und als auch das überstanden ist, ist dann noch mal Heinke dran. Der zum Glück davon wenig beeinträchtigte kleine Junge bekommt Durchfall, der uns bis nach Neuseeland begleiten wird. Doch eine zufällige Begegnung verhindert, dass wir uns erneut große Sorgen um unser Kind machen. Wir treffen Anna, eine Kinderärztin aus dem Krankenhaus, in dem Julia gearbeitet hat, und ihren Freund Heiner. Die beiden reisen seit zwei Jahren um die Welt und jetzt hat es sie nach Koh Phayam verschlagen. Anna untersucht Heinke und befindet seinen Allgemeinzustand trotz des Durchfalls für gut, was uns ungemein beruhigt. Wir verbringen noch einen netten Abend mit den beiden bevor wir dann am nächsten Tag die Rückreise nach Bangkok antreten.

Unterm Strich muss man sagen, dass wir leider nicht sehr viel von unserem Urlaub auf der Insel hatten. Wir haben tatsächlich bis auf unsere Unterkunft kaum etwas von der Insel gesehen, weil immer einer von uns krank war. Zum Glück ist das “Sabai Sabai” so ein schöner Ort, sonst wäre uns sicherlich die Decke auf den Kopf gefallen. Wir haben die Zeit trotz der gesundheitlichen Probleme sehr genossen, jetzt freuen wir uns aber sehr auf die Zivilisation. Bangkok, wir kommen! Uns trennt nur noch eine Bootsfahrt und ein Flug. Jedoch nicht irgendeine Bootsfahrt, sondern die schlimmste unseres Lebens..

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